Bild

Liebenau - Leben im Alter gGmbH steigt ab 2019 aus kirchlichem Arbeitsrecht aus.

Stiftung Liebenau begeht Tarifflucht – Bischof muss kirchliches Tarifniveau durchsetzen!

Die Tochtergesellschaft der Stiftung Liebenau, die „Liebenau - Leben im Alter gGmbH“ (LiLA), begeht Tarifflucht, wenn sie ab 1. Januar 2019 die Anwendung des kirchlichen Arbeitsrechts und damit des Tarifwerks der Caritas (AVR) aus ihrer Satzung streicht. Mit diesem Akt werden die Gehälter der rund 700 Beschäftigten der LiLA dauerhaft auf deutlich niedrigerem Niveau gehalten.

Durch eine Genehmigung des Bischofs der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, wird der sich zur Caritas zählenden „Liebenau - Leben im Alter gGmbH“ gestattet, ab dem 1. Januar 2019 auch offiziell außerhalb des kirchlichen Arbeitsrechts zu agieren. Schon zuvor, ab 2011, hat sich die Tochtergesellschaft der Stiftung Liebenau mit bischöflicher Genehmigung von der Anwendung des Tarifwerks der Caritas (AVR) befreien lassen. Sämtliche neuen Häuser dieser Gesellschaft wurden konsequent außerhalb der AVR errichtet. Die Folgen für die Beschäftigten sind u.a. erheblich abgesenkte Gehälter (Unterschiede zu AVR, s.u.).

Die Geschäftsleitung der LiLA begründet ihren Abschied vom kirchlichen Arbeitsrecht und vom Tarifwerk der Caritas damit, dass für Entgelt und Alterszusatzversorgung bis zuletzt keine vertretbare Lösung gefunden werden konnte.

Die Mitarbeiterseite bestreitet entschieden, dass die Liebenau als katholische Stiftung das Recht hat, je nach Gefallen das kirchliche Tarifrecht anzuwenden oder nicht. Dass die bischöfliche Aufsicht der Stiftung diese Wahlmöglichkeit einräumt, unterminiert die gesamte Legitimation des kirchlichen Arbeitsrechts.

Thomas Schwendele, Vorstandsmitglied der Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes:

„Dass eine wirtschaftlich gesunde Tochtergesellschaft der großen Stiftung Liebenau nicht in der Lage sein soll, ein für bundesweit über 650.000 Beschäftigte geltendes und erprobtes Tarifwerk anzuwenden, ist schlicht nicht glaubwürdig! Überall wird gefordert, dass die Beschäftigten in der Altenpflege besser bezahlt werden sollen. Wir sind fassungslos, dass gerade in einer kirchlichen Einrichtung auf dem Rücken der Beschäftigten gespart wird. Wer in der Caritas dabei sein will, muss die Grundordnung anwenden, oder er steigt aus und begibt sich konsequent ganz auf den privaten Weg. Parallelgesellschaften innerhalb der Caritas darf es nicht geben! Wir fordern den Bischof daher auf, die Grundordnung durchzusetzen.“

Irene Gölz, ver.di Landesfachbereichsleiterin im Gesundheitswesen:

„Die Frage stellt sich sehr deutlich, wie weit es mit der von Kirche und Caritas gepriesenen Verbindlichkeit der Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas ist. Die einseitige Absenkung der Gehälter und den dauerhaften Ausstieg der Liebenau aus den Tarifregelungen jetzt auch noch als Schritt hin zu mehr Tarifautonomie zu verkaufen, ist zynisch. Wir reden gerade bundesweit über einen einheitlichen Tarifvertrag für die Altenpflege auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes. Was jetzt im Land ausgerechnet beim größten kirchlichen Arbeitgeber passiert, konterkariert diese Bemühungen.“

Die Unterschiede zum AVR Caritas sind erheblich

  • Pflegefachkräfte erhalten im Schnitt monatlich ca. 80 Euro weniger, zum Teil über 260 Euro weniger.
  • angelernte Pflegekräfte erhalten im Schnitt monatlich ca. 150 Euro weniger, zum Teil über 300 Euro weniger.
  • Die Jahressonderzahlung ist um ein Drittel niedriger.
  • Zuschläge für Nachtarbeit und Arbeit an Sonntagen sind über ein Drittel niedriger.
  • Eine Leistungskomponente in Höhe von 2 Prozent des Jahres-Brutto wird nicht bezahlt.
  • Der übliche Jahresurlaub von 31 Tagen wird nur „gewährt“, Rechtsanspruch besteht aber nur auf den gesetzlichen Urlaub von 22 Tagen (in der 5,5 Tagewoche).
  • Krankengeldzuschuss gibt es nicht.
  • Statt der Anmeldung zur Zusatzversorgung, die eine gute Betriebsrente gewährleistet, erhalten die Beschäftigten lediglich ein Zusatzentgelt in Höhe von 3 Prozent des Bruttogehalts, mit dem sie in eigener Regie für ihr Alter vorsorgen sollen.

Hintergrund

Grundsätzlich sind alle zur Caritas zählenden Träger dazu verpflichtet, die kirchliche Grundordnung einzuhalten. Diese beinhaltet die kirchliche Aufsicht durch die Bischöfe, die Verpflichtung auf einen kirchlichen Zweck sowie die Anwendung des kirchlichen Arbeitsrechts. Das kirchliche Arbeitsrecht beinhaltet nicht nur Rechte der Beschäftigten, wie etwa eine Vergütung in der Altenpflege im Wesentlichen vergleichbar mit dem TVöD, sondern auch Pflichten.

Zu diesen Pflichten gehört u.a. der Verzicht auf ein Streikrecht. Wenn die „Liebenau - Leben im Alter gGmbH“ nun mit bischöflicher Genehmigung aus dem kirchlichen Arbeitsrecht aussteigt, steht den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Streikrecht jedoch wieder zur Verfügung.

Kundgebung „AVR für Alle!“

15. Dezember 2018, 12:00 Uhr

vor St. Eberhard, Bischofskirche in Stuttgart

Veranstalter:

  • Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes
  • Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen Rottenburg-Stuttgart
  • Fachbereich Gesundheit und Wohlfahrt von ver.di Baden-Württemberg

 

Pressekontakt

Torsten Böhmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
 +49 1516 5851 511
 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!