In dieser Ausgabe
- Teilzeitbeschäftigte – Überstundenzuschläge, Fazit zum BAG-Urteil vom 5. Dezember 2024
- Erteilung der Entgeltabrechnung im digitalen Format
- Kündigung wegen Krankheit bei einem unkündbaren Mitarbeiter
1. Teilzeitbeschäftigte – Überstundenzuschläge Fazit zum BAG-Urteil vom 5. Dezember 2024
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 5. Dezember 2024, 8 AZR 370/20
Die Frage, ob es eine unzulässige Benachteiligung von Teilzeitkräften darstellt, wenn Überstundenzuschläge erst ab Überschreitung der für Vollzeitkräfte maßgeblichen Arbeitszeit gezahlt werden – auch wenn diese Grenze als solche für Vollzeit- und Teilzeitkräfte identisch ist – hat die Rechtsprechung schon mehrmals positiv beschäftigt.
Zunächst hatte der 8. Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend der Auslegung des Unionsrechts ersucht. Der EuGH hat mit Urteil vom 29. Juli 2024, C-184/22 und C-185/22 (KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.) geantwortet. Die rechtlichen Vorgaben und Argumente des EuGH hat das BAG in seiner Urteilsbegründung vollständig übernommen.
Als Quintessenz aus den aktuellen Urteilen des EuGH und des BAG sind die folgenden Punkte festzuhalten:
- Eine tarifvertragliche Regelung, die für das Verdienen von Überstundenzuschlägen auch bei Teilzeitarbeit das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers voraussetzt, behandelt Teilzeit-Mitarbeiter wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitarbeitnehmer.
Eine solche Regelung verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern nach § 4 Abs. 1 TzBfG, wenn es an sachlichen Gründen für die Ungleichbehandlung fehlt.
- Liegen sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung nicht vor, bewirkt eine solche tarifvertragliche Regelung zugleich eine gegen § 7 Abs. 1 AGG verstoßende mittelbare Benachteiligung weiblicher Arbeitnehmer wegen des Geschlechts, wenn innerhalb der Gruppe der Teilzeit-Mitarbeiter signifikant mehr Frauen als Männer vertreten sind.
Grundvoraussetzung ist, dass nach der jeweils einschlägigen tariflichen Regelung überhaupt Überstunden entstehen. Nicht jede Stunde, die über die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet wird, ist eine zeitzuschlagspflichtige Überstunde.
Für die Beurteilung, ob eine unzulässige Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften vorliegt, wird auf die jeweilige Beschäftigungsbedingung, mithin auch auf die einzelnen Entgeltbestandteile, und nicht auf die Gesamtvergütung abgestellt. Jede einzelne Vergütungsbedingung ist am Prüfmaßstab des unionsrechtlichen Schlechterstellungsverbot von Teilzeitbeschäftigten zu messen (vorbehaltlich rechtfertigender Sachgründe bzw. der Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes – mindestens zeitanteilige Bezahlung). Eine Gesamtbewertung der einzelnen Vergütungsbestandteile scheidet aus!
Dabei werden vergleichbare Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte miteinander verglichen. Für die Vergleichbarkeit kommt es auf die Natur der Tätigkeiten an. Kurz gesagt, wer die gleichen Aufgaben oder die gleiche Arbeitsstelle wahrnimmt, gehört grundsätzlich zu den Beschäftigten, deren Arbeitssituationen miteinander vergleichbar sind.
Anknüpfungspunkt für eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten ist, ob im Tarif(-vertrag) auf die Überschreitung der individuell vereinbarten Arbeitszeit für die Gewährung eines Überstundenzuschlags abgestellt wird.
Ist für alle Arbeitnehmer einheitlich als Grenze das Überschreiten der Vollarbeitszeit festgelegt, ist eine Schlechterstellung von Teilzeitkräften indiziert.
Der Entgeltbestandteil „Überstundenzuschlag“ ist isoliert zu betrachten. Vollzeitbeschäftigte erhalten Überstundenzuschläge bereits ab der ersten Arbeitsstunde, die sie bei Überschreitung ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit leisten. Dadurch kommt es für in Teilzeit Beschäftigte zu nachteiligen Auswirkungen auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung. Die Wahrscheinlichkeit, die Anzahl an Arbeitsstunden, die für den Erhalt des Überstundenzuschlages erforderlich ist, zu erreichen, ist nicht oder nur in deutlich geringerem Maße gegeben. Eine geringere Arbeitszeit darf grundsätzlich nur quantitativ (d.h. zeitanteilig) anders, nicht jedoch qualitativ schlechter vergütet werden als Vollzeitarbeit.
Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn es einen Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Behandlung gibt. Die Anforderungen an den sachlichen Grund, die der EuGH, und dem folgend das BAG, vorgeben, sind allerdings hoch. Die bisher angeführten Gründe, auch in vorgehenden Urteilen des EuGH, wurden nicht anerkannt.
Der Anspruch auf den Überstundenzeitzuschlag folgt nicht aus einer gesetzes- und europarichtlinienkonformen Auslegung des Tarifvertrags, sondern aus § 134 i.V.m. 612 Abs. 2 BGB. Eine Tarifnorm ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG gemäß § 134 BGB nichtig, soweit sie für in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer keine proportionale Herabsetzung der Grenze für das Verdienen von Überstundenzuschlägen entsprechend dem Umfang der Teilzeit vorsieht.
Das BAG legt also die Tarifnorm nicht dahingehend aus, dass die Grenze für den Bezug der Überstundenzuschläge bei einer Teilzeitbeschäftigung proportional zur individuell geschuldeten Arbeitszeit des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers herabgesetzt wird.
Ein Verstoß einer tarifvertraglichen Vergütungsregelung gegen § 4 TzBfG und die damit einhergehende Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB führt dazu, dass die Ermittlung der üblichen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB erfolgt. Dies ist die Vergütung, die der Arbeitgeber vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern zahlt.
Entschädigung wegen Diskriminierung
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann ein Beschäftigter bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Haftung des Arbeitgebers ist verschuldensunabhängig! Die Höhe des Entschädigungsanspruchs ist mit „angemessen“ nur allgemein umschrieben. Die Entschädigungspflicht trifft den Arbeitgeber. Die Entschädigung muss auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
BeckOK ArbR/Roloff, 74. Ed. 1.12.2024, AGG § 15 Rn. 8-8c
Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der Prävention. Die Entschädigung muss insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleisten, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
So kam das BAG hier zu einer einmaligen Entschädigungszahlung an die Klägerin i.H.v. 250 Euro (und nicht i.H.v. 0 Euro wie noch das LAG in der Vorinstanz). Die Summe stellt aus Sicht des Gerichts einerseits einen angemessenen Ausgleich für den erlittenen Schaden dar. Andererseits wirke sie abschreckend gegenüber dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen des Arbeitgebers. Das Gericht geht dabei von einem Dauertatbestand aus.
Auswirkung auf die AVR
Die in den jüngsten Urteilen des EuGH und BAG getroffenen Aussagen sind Grundsätze, die sich nicht nur auf den streitgegenständlichen Tarifvertrag beziehen. Sie sind auf andere tarifliche Regelungen übertragbar und damit auch auf den TVöD sowie die AVR-Caritas. Die tariflichen Regelungen sind im Lichte dieser Rechtsprechung zu überprüfen.
Den oben genannten Kriterien halten die aktuellen Regelungen für Überstundenzuschläge für Mitarbeitende nach AVR Anlagen 2, 2d, 2e, 21a sowie 30 bis 33 nicht stand!
Allen AVR-Regelungen ist gemeinsam, dass die Definition der Überstunde an die durchschnittliche, regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit in Vollzeit anknüpft und nicht an die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Zeitzuschläge werden nur für geleistete Überstunden nach dieser Definition gezahlt.
Auf die Teilzeit-Mitarbeitenden der genannten Anlagen trifft also die Ausgangsproblematik der jüngsten EuGH- und BAG-Urteile zu. Sie erhalten Überstundenzuschläge erst, wenn sie die Grenze der Vollarbeitszeit überschreiten. Für geleistete Mehrarbeitsstunden fallen bis zur Grenze der Vollarbeitszeit keine Zeitzuschläge an.
Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlichen Grund, der das rechtfertigt.
Teilzeitkräfte können also die Zeitzuschläge ab der ersten Überstunde geltend machen.
Als Hilfestellung finden Sie auf dieser Seite oder in unserer Rubrik "Arbeitszeit und Arbeitsrecht" ein beispielhaftes Musterschreiben, das nur noch individuell geprüft und angepasst werden muss.
2. Erteilung der Entgeltabrechnung im digitalen Format
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 28. Januar 2025 – 9 AZR 48/24:
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes, digitales Mitarbeiterpostfach einstellt.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor und gilt es abzuwarten.
Der Fall
Die Parteien streiten darüber, ob Entgeltabrechnungen nach § 108 GewO dadurch erteilt werden können, dass sie ausschließlich in ein neu eingeführtes digitales Mitarbeiterpostfach eingestellt werden. Dazu schloss die beklagte Arbeitgeberin mit dem Konzernbetriebsrat 2021 eine Konzernbetriebsvereinbarung, welche die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs auch für die Entgeltabrechnung vorsieht. Nachdem die klagende Mitarbeiterin ihre Entgeltabrechnung nicht mehr in Papierform erhalten hatte, forderte sie die Arbeitgeberin erfolglos auf, die monatlichen Entgeltabrechnungen auch weiterhin in Papierform zu übersenden.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen
(Urteil vom 16. Januar 2024 – 9 Sa 575/23) hingegen hatte der Klage stattgegeben. Die Revision der beklagten Arbeitgeberin hat vor dem 9. Senat des BAG letztlich Erfolg, führt aber dennoch zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
Aus der bisher nur mündlichen Urteilsbegründung des BAG
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich die von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sogenannte „Holschuld“, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt nach Auffassung des 9. Senates, dass die Arbeitgeberin die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt.
Hierbei hat sie aber den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen! Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nach Ansicht des Gerichtes dabei nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmerin ein.
Der 9. Senat ist jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, da nach Auffassung des Gerichts bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob vorliegend die Einführung und der Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen. Das muss nun das Landesarbeitsgericht Niedersachsen nochmals abschließend klären.
Rechtliche Würdigung und Auswirkungen auf die AVR
Die Art der Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnung führt immer wieder in den Einrichtungen zu Diskussionen, insbesondere dann, wenn der Dienstgeber im Wege der fortschreitenden Digitalisierung den Entgeltnachweis von der gewohnten Papierform auf ein digitalisiertes Format umstellt.
Die Entscheidung des BAG ist im Hinblick auf die generelle Anwendbarkeit des § 108 Abs. 1 Satz 1 der GewO für die Erteilung der Entgeltabrechnungen auch auf den AVR-Bereich anwendbar.
Nach dieser Regelung ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss dabei mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten.
In der Anlage 1 AVR, Abschnitt X – Zusatzbestimmungen zu den Bezügen – ist unter Buchstabe (c) geregelt, dass dem Mitarbeiter eine Abrechnung zur Verfügung gestellt wird, in der die Beträge, aus denen sich die Bezüge zusammensetzen sowie die Abzüge getrennt aufgeführt sind. Das hat, obwohl es nicht explizit in den AVR Erwähnung findet, unter Beachtung des § 108 Abs. 1 GewO zu erfolgen.
Im Zuge der Digitalisierung der Lohnabrechnung erfolgt vielerorts bereits die Erteilung der Entgeltabrechnung an die Mitarbeiter in papierlosen Formaten. Das ist für die meisten Mitarbeiter zwischenzeitlich problemlos, aber eben nicht für alle Mitarbeiter.
Ein Anspruch auf die Entgeltabrechnung in Papierform besteht aber auch für diese Mitarbeiter nicht. Es ist ausreichend, wenn der Dienstgeber die Entgeltabrechnung an einer geeigneten elektronischen Ausgabestelle als digitales Dokument bereitstellt.
3. Kündigung wegen Krankheit bei einem unkündbaren Mitarbeiter
Der Fall
Ein Mitarbeiter ist seit Jahrzehnten bei einer diakonischen Einrichtung beschäftigt. Er ist seit drei Jahren durchgehend arbeitsunfähig. Dem Mitarbeiter wurde mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten, das er jedoch stets abgelehnt hat. Der Mitarbeiter galt nach den AVR der Diakonie als unkündbar. Ihm wurde schließlich außerordentlich fristlos mit einer Auslauffrist gekündigt.
Dagegen wehrte sich der Mitarbeiter.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass die Kündigung rechtmäßig erfolgte.
LAG M-V, Urteil vom 19.03.2024 – 2 Sa 112/23
Es stellte folgende Leitsätze auf:
- Ist tariflich eine ordentliche personenbedingte Kündigung ausgeschlossen, kann ein Sachverhalt, der bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs muss dann allerdings zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingehalten werden.
- Überdies muss der Prüfungsmaßstab den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die nach § 626 Abs. 1 BGB an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind.
- Danach kann die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt auf Dauer außerstande ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Leistungsaustausch ist dann nicht mehr möglich (BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 2 AZR 6/18 – Rn. 16, 17, juris).
- Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.
Das Gericht stellte in den Entscheidungsgründen klar, dass wie bei jeder krankheitsbedingten Kündigung eine dreistufige Prüfung erfolgt. Da jedoch aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt, ist die Prüfung auf jeder Stufe erheblich strenger.
Die drei Stufen sind:
- Negative Gesundheitsprognose
- Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
- Interessenabwägung
Das Gericht nahm hier eine negative Gesundheitsprognose an. Es ging davon aus, dass der Mitarbeiter innerhalb der nächsten 24 Monate nicht genesen würde. Grundlage für diese Einschätzung waren die bisher dreijährige Arbeitsunfähigkeit sowie die Diagnose einer depressiven Erkrankung. Entscheidend war auch, dass der Mitarbeiter trotz Hinweises durch das Gericht nicht weiter dargelegt hat, ob er früher als in 24 Monaten wieder arbeitsfähig werden könnte.
Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen bejahte das Gericht bereits aufgrund der negativen Gesundheitsprognose für die nächsten 24 Monate. Die langfristige Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung abzurufen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen dar.
Schließlich fiel auch die Interessenabwägung zu Lasten des Mitarbeiters aus. Das Gericht stellte fest, dass dem Dienstgeber eine weitere Beschäftigung nicht zuzumuten sei, da auch keine leidensgerechte Beschäftigung möglich sei. Dies wurde zusätzlich dadurch untermauert, dass der Mitarbeiter das BEM mehrfach abgelehnt hatte.
Fazit und Auswirkungen auf die AVR-Caritas
Auch unsere AVR sehen die Unkündbarkeit eines Mitarbeiters vor; dies ist in § 14 Abs. 5 AT geregelt. Sowohl die AVR der Diakonie als auch der Caritas sehen jedoch eine Ausnahme vor, nämlich die außerordentliche Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen.
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine personenbedingte Kündigung. Hierbei sind hohe Anforderungen zu erfüllen, die jedoch durchaus erreichbar sind. Daher ist den Mitarbeitern unter Umständen auch anzuraten, an einem BEM teilzunehmen und gegebenenfalls darzulegen, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich noch andauert.
Auch wenn in solchen Fällen eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird, ist die Kündigungsfrist einzuhalten. Diese wird als Auslauffrist bezeichnet und beträgt im Bereich der Caritas mindestens sechs Monate zum Ende eines Quartals.