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Am 31. Dezember 2023 endet die erste Hälfte der vierjährigen Amtszeit der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes.

Nach zwei Jahren Kommissionsarbeit ziehen Thomas Rühl, Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite und Norbert Altmann, Sprecher der Dienstgeberseite, in der Oktober-Ausgabe des AVR-Kompendiums „Die AVR von A bis Z“ des Ketteler Verlags eine Zwischenbilanz.

Wir geben hier in Auszügen die Aussagen von Thomas Rühl wieder.

Das AVR-Kompendium können Sie über die Internetseite des Ketteler-Verlags beziehen.

 

Bewertung der AK-Arbeit: Chancen konsequent genutzt

Uns als Mitarbeiterseite ist es in der aktuellen Wahlperiode der Arbeitsrechtlichen Kommission gelungen, die tarifpolitischen Trends, die die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes setzen, in den AVR abzubilden. Diese tarifpolitischen Trends, die sich auch in unserem Tarifwerk niederschlagen, sind: Mehr Freizeit statt mehr Geld, Aufwertung assistierender Tätigkeiten in der Pflege und Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes.

Die weltlichen Tarifpartner, die unsere Leittarifverträge verhandeln, haben das Thema „mehr Freizeit statt mehr Geld“ entwickelt. Vorreiter war der Marburger Bund, der für das ärztliche Personal in kommunalen Krankenhäusern eine Begrenzung der Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste durchgesetzt hat. Die Gewerkschaft ver.di hat die Aufwertung im Sozial- und Erziehungsdienst erstritten.

Die Pflegekommission, in der Herr Altmann und ich mitarbeiten, hat die Erhöhung des Pflegemindestlohns beschlossen und damit ermöglicht, Verbesserungen für Betreuungskräfte in der Pflege zu erreichen.

Die beiden Tarifrunden in 2023 (allgemeine Tarifrunde und Tarifrunde für Ärztinnen und Ärzte) bilden die Tarifabschlüsse im Zweiten Weg ab. Kennzeichen sind die Inflationsausgleichsprämie und überdurchschnittliche lineare Steigerungen, die aber die hohe Inflation nicht vollständig ausgleichen. Der Anstieg der linearen Steigerungen ist durch die populäre Inflationsausgleichsprämie abgeflacht worden.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Chancen auf Übernahme der Tarife des öffentlichen Dienstes sich verbessert haben. Diese Chancen haben wir als Mitarbeiterseite konsequent genutzt.

Die Coronajahre 2020/2021 haben das Verhandlungsgeschäft unvermittelt komplett in virtuelle Formate gezwungen. Das hat uns allen nicht gutgetan. Tarifverhandlungen brauchen die persönliche Begegnung, um zu streiten, sich wieder anzunähern und am Ende tragfähige Kompromisse zu finden.

Novellierte Grundordnung - mehr Toleranz und Vielfalt innerhalb der Dienstgemeinschaft?

Die Änderung der Grundordnung war vor allem dem Druck der öffentlichen Meinung und der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geschuldet. Ich finde bedenklich, dass nur auf Druck reagiert anstatt proaktiv agiert wurde. Dass die sexuelle Orientierung und private Lebensführung der Mitarbeitenden den Arbeitgeber nicht zu interessieren haben, hätte viel früher und ohne peinliche Widerstände klargestellt werden müssen.

Für die Zukunft ist zu sagen, dass der kritische Blick auf die gelebte Praxis erhalten bleiben muss. Dafür braucht es starke Mitarbeitervertretungen, die auf die Personalpolitik in ihren Einrichtungen Einfluss nehmen.

Problem Personalmangel

Ich hoffe, dass die Caritas-Dienstgeber Personalgewinnung nicht nur als Marketingaufgabe sehen, sondern an unserer Seite sind, wenn es um den Erhalt echter tariflicher Errungenschaften geht. Besonders denke ich dabei an die arbeitgeberfinanzierte Zusatzversorgung, die dienstgeberseitig immer wieder heftig angegriffen wird. Meine Empfehlung an die Dienstgeberseite ist, mehr auf tarifliche Benefits zu setzen, die in der AK beschlossen werden als auf maximale Flexibilität für die Einrichtungsebene.

Die Zeichen der Zeit gehen dahin, dass die öffentliche Hand wieder mehr Aufgaben der sozialen Daseinsvorsorge selbst übernimmt. Daher wird die Caritas in Zukunft verstärkt mit dem öffentlichen Dienst um Mitarbeitende konkurrieren. Auf diese Konkurrenzkonstellation gilt es sich tariflich einzustellen.

Tarifrunde 2023 - Niedriglohngruppen profitieren überproportional

Die unteren Lohngruppen liegen uns als Mitarbeiterseite besonders am Herzen. Gerade einem kirchlichen Arbeitgeber steht gut zu Gesicht, armutsfeste Löhne zu zahlen. Dennoch haben wir unschöne Problemzonen in unserem Tarif. In der Anlage 2 sind das die Vergütungsgruppen 10 und 11 mit Bruttolöhnen zwischen 2.000 und 2.500 Euro für eine Vollzeitstelle. Gleiches gilt für die Anlage 32, in der Pflegeassistenzkräfte in die Entgeltgruppe P 4 eingruppiert sind. Auch diese Entgeltgruppe liegt bei ca. 2.500 Euro Monatsbrutto bei Vollzeitbeschäftigung.

Diese Niedriglohngruppen profitieren überproportional von der Inflationsausgleichsprämie sowie von Sockel- und Mindestbetrag. Wir haben anhand der alten und neuen Tabellenwerte ausgerechnet, dass die unteren Lohngruppen der Anlage 2 bis zu 17 Prozent lineare Entgeltsteigerung erhalten. In den mittleren Lohngruppen sind es zwischen 10 und 14 Prozent.

Steigerung des Mindestlohns war richtig!

Die Niedriglohnpolitik der Nullerjahre wird glücklicherweise zunehmend infrage gestellt. Die Steigerung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro durch die Bundesregierung ohne Konsultation der Mindestlohnkommission war richtig. Diese 12 Euro müssen Grundlage aller Berechnungen in der Mindestlohnkommission sein. Anderenfalls wird die politische Intervention der Bundesregierung untergraben. (…) Ich plädiere dafür, den Mindestlohn EU-konform auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns zu erhöhen. Die Caritas kann kein Interesse haben, ständig von Dumpinglöhnen unter Druck gesetzt zu werden.

Förderung von Ausbildung - mehr wertschätzen!

Die AK hat durch eine frühzeitige Überarbeitung der Anlage 7, die alle Ausbildungsverhältnisse regelt, die tariflichen Bedingungen der Ausbildungen vereinheitlicht und verbessert. Neue Ausbildungsgänge wurden in den AVR teilweise früher als im öffentlichen Dienst tariflich geregelt.

Das Bewusstsein, dass Auszubildende ein kostbares Gut in den Einrichtungen und Diensten der Caritas sind, muss sich gerade vor Ort verstärkt noch durchsetzen. Kleinlichkeit stellen wir fest, wenn es um die Praxisanleiter geht. Hier streitet die Dienstgeberseite mit uns um prozentuale Anteile der Praxisanleitung an der Gesamttätigkeit. Es täte den Einrichtungen gut, das Engagement der Beschäftigten für den Berufsnachwuchs mehr wertzuschätzen und bereitwillig finanziell zu honorieren.

Altersversorgung - erreichtes Niveau nicht antasten!

Die Diskussion um die Altersversorgung in Deutschland ist von demotivierenden Angstdebatten geprägt. Ich plädiere dafür, das Thema sachlich und mit kühlem Kopf zu bearbeiten. Das fängt schon damit an, die gesetzliche Rentenversicherung nicht schlechter zu reden als sie ist. Eine gute Rente ist bezahlbar und machbar.

Innerhalb der AK sollten wir beim Thema Altersvorsorge das tun, was wir in unserem Zuständigkeitsbereich tun können. Dazu gehört, dass beide Seiten sich zur arbeitgeberfinanzierten Zusatzversorgung bekennen. Das in den AVR diesbezüglich erreichte Niveau darf nicht angetastet werden.

Kirchliches Arbeitsrecht - Beitrag zum Flächentarif

Die Mitarbeiterseite verteidigt den Dritten Weg nicht um seiner selbst willen. Für uns sind die erzielten Tarifergebnisse entscheidend. Mit anderen Worten: Die Mitarbeiterseite geht den Dritten Weg mit, solange die Ergebnisse stimmen. Sie stimmen für uns, solange die AVR mindestens auf dem Niveau der Tarife des öffentlichen Dienstes liegen. Damit leisten wir unseren Beitrag zum Flächentarif und zur Sicherung der Tariflandschaft in Deutschland.

Was die Diskussion um die Zukunft des Dritten Weges betrifft, bin ich erfreut über die Versachlichung, die die Debatte in der letzten Zeit erfahren hat. In unseren Gesprächen im politischen Berlin habe ich wahrgenommen, dass parteienübergreifend viele Parlamentarier einen unaufgeregten, pragmatischen Blick auf uns und unser Tun haben. Beide Seiten der AK sind in die Gespräche beim Bundesarbeitsministerium eingebunden und werden dort ihre Positionen entsprechend einbringen.

 

Torsten Böhmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
 +49 1516 5851 511
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Thomas Rühl
Sprecher der Mitarbeiterseite
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