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Eva Maria Welskop-Deffaa (Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes), Thomas Rühl (Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite) und Axel Weinsberg (ver.di Bundesfachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft)

Die Caritas Mitarbeiterseite hat am 24. Mai in Berlin zu ihrem Parlamentarischen Abend geladen. Unter dem Motto "Tarifbindung stärken - Arbeitsbedingungen verbessern" diskutierte die ak.mas mit zahlreichen Gästen aus Politik, Gewerkschaften und Verbänden.

In Zeiten von Arbeitskräftemangel sind gute Arbeits- und Entgeltbedingungen wichtig, um Mitarbeitende aller Qualifikationsstufen zu gewinnen und zu halten. Tarifwerke sichern gute Arbeit und gutes Geld.

Tarifbindung ist daher nicht unmodern, sondern erfolgsrelevant. Dabei sinkt das soziale Sicherungsniveau; das gilt für erodierende Tarifbindung genauso wie für zunehmende Altersarmut selbst nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit und Beitragszahlung. Bei der Förderung der Tarifbindung und der Eindämmung sachgrundloser Befristung beschränkt sich die Bundesregierung auf den öffentlichen Dienst. Soziale Sicherheit darf aber nicht auf ein Segment des Arbeitsmarktes begrenzt bleiben.

Thomas Rühl, Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite:

Tarifbindung wirkt. Das hat der bisherige Verlauf des Jahres 2023 gezeigt. Im öffentlichen Dienst gibt es einen hart erkämpften Tarifabschluss von ver.di und VKA. Am 23. Mai gab es endlich auch eine Einigung zwischen dem Marburger Bund und der VKA über die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte. Diese Abschlüsse bilden die wesentliche Grundlage für unsere Verhandlungen mit der Dienstgeberseite für die fast 700.000 Beschäftigten bei der Caritas.

Tarifbindung wirkt nicht nur in aktuellen Tarifverhandlungen. Sie wirkt auch in Zeiten des Tariffriedens. Tarifbindung wirkt auf der Arbeitnehmerseite. Vollzeitbeschäftigte in tarifgebundenen Betrieben arbeiten durchschnittlich eine Stunde in der Woche weniger. Dabei verdienen sie knapp 11 Prozent mehr als Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Betrieben.

Tarifbindung wirkt auf der Arbeitgeberseite. Tarifgebundene Arbeitgeber haben Vorteile im Wettbewerb um Mitarbeitende aller Qualifikationsniveaus. Ich betone aller Qualifikationsniveaus, weil inzwischen nicht nur Fachkräfte fehlen, sondern Arbeitskräfte schlechthin. Die Sozialbranche steht in einem harten Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte.

Wir erleben in diesem Jahr intensive Tarifauseinandersetzungen. Experten erwarten, dass die Konfliktintensität zwischen den Sozialpartnern in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Gute Tarifabschlüsse sind eben kein Selbstläufer. Das gilt trotz eines Arbeitsmarktes, der sich zugunsten der Beschäftigten gedreht hat. Ich hoffe, dass die Durchsetzungsstärke der Arbeitnehmerseite dauerhaft auf Augenhöhe mit der Arbeitgeberseite bleibt. Die Organisationsstärke der Gewerkschaften ist dafür der entscheidende Faktor.

Nach meiner Wahrnehmung hat sich die politische Diskussion um die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts etwas beruhigt und vor allem versachlicht. Dazu hat die Novellierung der Grundordnung durch die Bischöfe erheblich beigetragen. Die persönliche Lebensführung darf keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr haben. Das war lange überfällig und zeigt, wie wichtig, der öffentliche Kritikdruck ist. Die Vermengung der Diskussion um die sogenannten Loyalitätsobliegenheiten mit dem dritten Weg, also der Tarifsetzung in paritätisch besetzten Kommissionen, ist mehr als unglücklich gelaufen. Das Ergebnis war unnötige Aufgeregtheit. Der sachliche, unaufgeregte Blick auf den dritten Weg bei der Caritas zeigt, dass er derzeit gute Tarifergebnisse auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes erzielt und den Flächentarif stärkt. Die Mitarbeiterseite geht den dritten Weg mit, solange die Ergebnisse stimmen. Dafür brauchen wir eine kritische, aber sachliche politische Diskussion als Begleitmusik.

Uns bereitet große Sorge, wie das Thema Altersvorsorge politisch diskutiert wird. Die Regelaltersgrenze wird wie in einem Überbietungswettbewerb immer weiter nach oben diskutiert. Der kritische Beobachter gewinnt den Eindruck, dass die Regel-Altersgrenze in der Zukunft einer individualisierten Flex-Altersgrenze weichen soll. Die Mehrheit der abhängig Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen wird dabei das Nachsehen haben. Klar ist, dass die Anzahl der Erwerbungsminderungsfälle in den Jahren vor Rentenbeginn stark ansteigen würde. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, wird versucht, die Risikolast für finanzielle Absicherung des Ruhestandes auf das schwächste Glied in der Kette, die Arbeitnehmenden, abzuwälzen. Wenn die betriebliche Altersvorsorge Lücken der gesetzlichen Rente ausgleichen soll, sind Schmalspurlösungen wie Beitragszusagen oder gar nur Entgeltumwandlung nicht tragbar. Eine Abwälzung des Kapitalmarktrisikos auf die Versicherten passt nicht zum Anspruch auf soziale Sicherung.

Nicht nur bei der Altersversorgung wird die Risikolast auf Arbeitnehmerschultern abgewälzt. Gleiches gilt für die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen. Hier wird abhängig Beschäftigten zugemutet, das Beschäftigungsrisiko zu tragen. Die letzte Bundesregierung hatte die Einschränkung der sachgrundlosen Befristung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Umgesetzt hat die GroKo zu diesem Thema nichts. So waren wir in der Zentralen Arbeitsrechtlichen Kommission gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben für den katholischen Bereich zumindest eine Einschränkung der sachgrundlosen Befristung erreicht. Der Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung sieht nun eine Einschränkung sogenannter Kettenbefristungen vor. Wir befürchten auch bei diesem Thema, dass es bei der Absichtserklärung aus dem Koalitionsvertrag bleibt. Daher haben wir uns in der Zentralen Arbeitsrechtlichen Kommission auf den Weg gemacht, um auch hier Verbesserungen für die Beschäftigten bei katholischer Kirche und Caritas zu erreichen.

Somit erneuere ich unsere beiden Forderungen an den Gesetzgeber: Schaffen Sie die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen ersatzlos ab! Schränken Sie die Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen mit Sachgrund ein!

Im Rettungsdienst tut sich eine große Tariflücke auf. Das Sozialgesetzbuch V behandelt rettungsdienstliche Leistungen nicht wie medizinische Leistungen, sondern wie Transportdienstleistungen. Der preiswerteste Anbieter soll zum Zuge kommen. Tarifgebundene Rettungsdienst-Anbieter haben angesichts dieser Gesetzeslage große Probleme in den Verhandlungen mit den Kostenträgern. Das Fachpersonal im Rettungsdienst stimmt inzwischen mit den Füßen ab. Viele Kollegen und Kolleginnen verlassen den Rettungsdienst. Es braucht Bleibeanreize in Form einer leistungsgerechten Vergütung. Ohne Rettungskräfte braucht man mit einer Reform der Notfallversorgung gar nicht erst anzufangen. Die anstehende Krankenhausstrukturreform muss wie geplant mit der Reform der Notfallversorgung einhergehen. Sonst spitzen sich die Lage im Rettungsdienst und der Personalmangel weiter zu.

Wir leben in schwierigen Zeiten. Die Konflikte werden härter, zwischen den Sozialpartnern genauso wie in Politik und Gesellschaft. Die Menschen nehmen sehr genau wahr, wie Lasten und Risiken verteilt werden. Wenn der maximale Druck auf der Mitte der Gesellschaft lastet, wird das Gerechtigkeitsempfinden verletzt. Und das geschieht niemals ohne Folgen. Ich wünsche mir, dass die Herausforderungen unserer Zeit mit der sozialen Frage verknüpft werden. Das Bedürfnis nach sozialer und finanzieller Sicherheit breiter Bevölkerungsschichten ist berechtigt.

Tarifbindung, gute Arbeits- und Entgeltbedingungen, ein unbefristeter Arbeitsvertrag und finanzielle Absicherung im Ruhestand sind wichtige Bausteine sozialer Sicherheit und damit des sozialen Friedens.

Torsten Böhmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
 +49 1516 5851 511
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Thomas Rühl
Sprecher der Mitarbeiterseite
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ak.mas PolitikBrief 2023

Personalmangel -- Altersversorgung -- Befristungen -- Rettungsdienst
PDF | 648 KB | 25. Mai, 2023

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