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In dieser Ausgabe

  1. Anmerkung zum Urteil des Bundesarbeitsgereichtes (BAG) zur Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen
  2. Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis?
  3. Der Urlaubsanspruch einer Mitarbeiterin bei aufeinanderfolgenden mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten verfällt nicht!
  4. Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel für ausbildungsintegriertdual Studierende und praxisintegriert-dual Studierende

1. Anmerkung zum Urteil des Bundesarbeitsgereichtes (BAG) - 8. Senat vom 5. Dezember 2024 (8 AZR 370/20) – Zur Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen

Nachdem der 10. Senat des BAG am 4. Dezember 2024 in ähnlicher Rechtsfrage nicht entschieden hatte und das Verfahren aus prozessualen Gründen an das Landesarbeitsgericht zur abschließenden Entscheidung zurückverweisen hat, hat hingegen der 8. Senat des BAG am 5. Dezember 2024 nach sechs Jahren Verfahrensdauer(!) abschließend entschieden und u.a. die Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich der Überstundenvergütung ab einer einheitlichen Auslösegrenze für Teilzeitmitarbeitenden und Vollzeitmitarbeitenden bestätigt.

Aus der offiziellen Pressemitteilung 34/24 des BAG zum Urteil:

Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teil-zeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind.

Der 8. Senat des BAG ist damit in seiner Entscheidung der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 29.07.2024 – C-184/22, C-185/22) aus der Anfrage nach der Auslegung von Unionsrecht für diesen Rechtstreit gefolgt, die zusammengefast lautet:

Einheitliche Auslösegrenzen für Überstunden(-zuschläge) für Teilzeitkräfte und Vollzeitkräfte diskriminieren Teilzeitbeschäftigte und stellen unter Umständen auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechtes dar.

Die aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG resultierende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt nach Auffassung des BAG zu einem Anspruch der Klägerin auf die streitgegenständliche Zeitgutschrift, den bereits das LAG zugesprochen hatte. Weiter hat das Gericht auch eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt. Aus der Anwendung der unwirksamen tarifvertraglichen Regelung erfolgte nach Ansicht des Gerichtes eine mittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts, da die Teilzeitbeschäftigung im Betrieb des Klägers mehrheitlich Frauen betraf. Die Höhe von 250 Euro hielt das BAG für angemessen.

Fazit

Für die Vielzahl der teilzeitbeschäftigen Frauen hat das BAG eine wichtige und richtungswei-sende Entscheidung getroffen, die hoffentlich auch zukünftig eine entsprechende Umsetzung findet.
Für die Klägerinnen persönlich ist die Entscheidung eher ein „Pyrrhussieg“, denn am Ende von sechs Jahren Verhandlungsdauer bekommen sie die bereits zugestandenen Stundengutschrift(en) aus der LAG-Entscheidung nur nochmal bestätigt, zudem erhalten Schadensersatz i.H. von „nur“ 250,00 Euro und müssen letztlich dafür den überwiegenden Teil der Prozesskosten des gesamten Verfahrens tragen.

Erste Empfehlungen aus dem Urteil für die teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter/innen

Für eine genaue Einschätzung ist es noch zu früh, da die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht. Diese gilt es noch abzuwarten!

Sollte der Dienstgeber nicht von sich aus bei der nächsten Lohnabrechnung die Zeitzuschläge entsprechend abrechnen, ist zu empfehlen, dass betroffene Teilzeit-Mitarbeitende die Überstun-denzeitzuschläge vorsorglich in Textform unter Berufung auf das aktuelle BAG-Urteil gegenüber dem Dienstgeber geltend machen.

Aber es kann im Einzelfall für Teilzeit-Mitarbeitende nach Anlage 2 und nach Anlage 2e AVR günstiger sein, wenn die bestehende Regelung zur Mehrstundenabgeltung (ohne Zeitzuschlag) an-gewandt wird. Das trifft insbesondere auf langjährige Mitarbeiter zu, die bereits die Endstufe Ihrer Tabellenvergütung erreicht haben und darüber hinaus ggf. noch Zulagen für Kinder oder sonstige Zulage erhalten, die relevant in die Berechnung der Mehrarbeitsvergütung einfließen. Das sollte der Teilzeit-Mitarbeiter für sich im Einzelfall prüfen, bevor er die Überstundenabgel-tung (mit Überstundenzeitzuschlag) geltend macht.

Dabei geht es um die Mehrarbeitsstunden, die über die individuell vereinbarte dienstvertragliche Arbeitszeit hinausgehen. Gegebenenfalls ist der Anspruch auch rückwirkend geltend zu machen. Diese Empfehlung zur Geltendmachung der Überstundenzeitzuschläge erfolgt des-halb, um die sechsmonatige Ausschlussfrist gem. § 23 AVR zu wahren.

Inwieweit hingegen Schadenssatzansprüche wegen einer möglichen Diskriminierung geltend gemacht werden, sollte gut überlegt werden und muss persönlich für sich entschieden werden. Im Arbeitsrecht trägt jede Partei per se die ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in der ersten Instanz vor dem ArbG selbst, unabhängig davon, wer den Rechtsstreit in der ersten Instanz am Ende gewonnen oder verloren hat. Insofern dürften hier in der Regel allein die Anwaltskosten höher sein als der derzeitig vom BAG zugesprochene Schadensersatzanspruch i.H.v. 250 Euro bei einer festgestellten Diskriminierung.


 

2. Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis?

Der Fall

Der Sachverhalt ist schnell dargestellt. Ein Arbeitnehmer wurde befristet für 12 Monate eingestellt. Im Arbeitsvertrag war eine Probezeit mit einer Kündigungsfrist von vier Monaten vereinbart, innerhalb dieser Probezeit wurde dem Arbeitnehmer mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer und argumentierte die Probezeit wäre gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG unwirksam und ihm könne nur mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.

Die Entscheidung

Das LAG Berlin folgte dieser Argumentation in seinem Urteil vom 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23 und stellte folgenden wichtigen Leitsatz auf:

Jedenfalls in einem für ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag ist eine Probezeit von 25 Prozent der vereinbarten Gesamtbefristungsdauer regelmäßig zulässig gem. § 15 Abs. 3 TzBfG.

Rechtlicher Hintergrund

Grundlage dieser Entscheidung ist § 15 Abs. 3 TzBfG, denn danach kann zwar in einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart werden, diese muss aber im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Dieses Verhältnis wurde nun vom LAG auf höchstens 25 Prozent der Gesamtbefristungsdauer festgelegt.

Dieses Urteil steht im Widerspruch mit dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 18.10.2023 – 3 Sa 81/23, denn dieses LAG ist der Auffassung, eine Probezeit von der Hälfte der Befristungsdauer ist noch angemessen. Damit wäre der Ausgangsfall anders entschieden worden?

Woher kommen diese unterschiedlichen Auffassungen? Diese Norm ist erst 2022 eingeführt worden und ist sehr offen formuliert und stellt dazu auf den Einzelfall ab, es ist daher nicht verwunderlich, dass es unterschiedliche Interpretationen und Auslegungen gibt. Es fehlt bisher noch eine höchstrichterliche Rechtsprechung, diese ist aber schon in Sicht, da das Urteil des LAG Berlin in Revision gegangen ist unter dem Aktenzeichen 2 AZR 160/24.

Auswirkungen auf die AVR

Die Rechtsnorm des § 15 Abs. 3 TzBfG dürfte zur Unwirksamkeit der Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen nach §§ 7 Abs. 4 S. 1 i.V.m. 14 Abs. 1 Allgemeiner Teil zu den AVR führen.
Die Regelung der AVR enthalten keine Abstufung der Probezeitdauer im Verhältnis zur Befris-tungsdauer, daher wird hier der gesetzliche Rahmen des § 15 Abs. 3 TzBfG überspannt, bzw. bei einer 6-monatigen Befristung völlig ignoriert. Daher kann diese Regelung keinen Bestand haben. Denn eine Abweichung ist nach § 22 Abs. 1 und 2 TzBfG nur einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vorbehalten. Auch die bedingte Öffnungsklausel des § 22 Abs. 2 TzBfG hilft hier nicht, weder erhalten die meisten Einrichtungen Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrecht (damit ist nicht die Refinanzierung durch Kranken- und Pflegekassen umfasst) noch wurde die Anwendung dieser Vorschrift vereinbart, die Regelung in den AVR ist eine eigen-ständige Vorschrift.
Die Tatsache, dass die AVR aufgrund des Dritten Weges einen nur eingeschränkten Prüfungsrahmen haben und keine AGB-Prüfung stattfindet, ändert nichts an diesem Ergebnis. Denn es darf nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen werden, was aber wie dargestellt der Fall ist.

Was ist also die Rechtsfolge?

Auf den ersten Blick gar keine! Zunächst muss man vergegenwärtigen, dass die Probezeit nur Auswirkungen auf die Kündigungsfrist hat! Diese ist in den AVR aber in beiden Fällen identisch, nämlich ein Monat zum Monatsende/Monatsschluss.

Die erleichterte Kündigung – also keine verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung – liegt in der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes, diese beträgt nämlich 6 Monate, erst danach muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein.

Die einzige Rechtsfolge wäre die Begründungspflicht in der Kündigung nach § 17 Allgemeiner Teil zu den AVR. Danach soll ein Kündigungsgrund angegeben werden.

Fazit

Ein wichtiges Urteil für befristete Arbeitnehmer, aufgrund der deutlich günstigeren Kündigungs-fristen für den Mitarbeiter bei der Caritas aber nicht ganz so relevant.


 

3. Der Urlaubsanspruch einer Mitarbeiterin bei aufeinanderfolgenden mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten verfällt nicht

BAG-Urteil vom 20.08.2024 - 9 AZR 226/23

Der amtliche Leitsatz der Entscheidung

§ 24 Satz 2 MuSchG, dem zufolge eine Frau den vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht (vollständig) erhaltenen Urlaub nach Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr nehmen kann, steht auch einem Verfall solcher Urlaubsansprüche entgegen, die während mehrerer unmittelbar aufeinanderfolgender mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote entstanden sind.

Der Fall

Eine angestellte Zahnärztin durfte infolge von mehreren individuellen Beschäftigungsverboten wegen Mutterschutzes sowie wegen der Schutzzeiten nach Entbindung im Zeitraum vom 1. Dezember 2017 bis zum Arbeitsvertragsende am 31. März 2020 durchgehend nicht arbeiten. Mit der Klage verlangte Sie von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung der sich in diesem Zeitraum angesammelten 63 Urlaubstage i.H.v. 13.126,00 Euro. Dies lehnte der Arbeitgeber ab. Wie zuvor schon das ArbG in Leipzig und das LAG Sachsen in Chemnitz gab auch das BAG in Erfurt der klagenden Zahnärztin Recht.

Die Entscheidung

Das BAG stellt in seinem Urteil fest, dass § 24 Satz 2 MuSchG (… bis zum 31. Dezember 2017 nach § 17 Satz 2 MuSchG a.F. …) einem Erlöschen des Urlaubs entgegensteht. Nach dieser Vorschrift kann eine Arbeitnehmerin ihren gesamten bis dahin aufgelaufenen Urlaub, den sie vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten hat, nach dem Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 7 Abs.3 Satz 1 BUrlG, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.

Die Vorschrift des § 24 Satz 2 MuSchG knüpft nach Auffassung des BAG ihre Rechtsfolge fort-laufend an das Ende eines jeden einzelnen Beschäftigungsverbots. Folgen also mehrere Beschäftigungsverbote nahtlos aufeinander, kann die Arbeitnehmerin ihren – ggf. über mehrere Beschäftigungsverbote angesammelten – Urlaub nicht vor Beginn des letzten Beschäftigungsverbots erhalten. Maßgeblich ist allein, dass der Urlaub vor Beginn des jeweils neuen Beschäf-tigungsverbots nicht genommen werden konnte. § 24 Satz 2 MuSchG legt nach der Auffassung des BAG damit das Urlaubsjahr in Fällen, in denen mehrere Beschäftigungsverbote aufgrund mehrerer Schwangerschaften aufeinander folgen, fortlaufend neu fest, soweit bis zum Beginn des letzten Beschäftigungsverbots der Urlaub nicht genommenen werden konnte. Das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den festgelegten Urlaubszeitraum fallendes mutter-schutzrechtliches Beschäftigungsverbot liegt uneingeschränkt beim Arbeitgeber.

Die Auswirkungen auf die AVR

In der Praxis kommen die Anfragen zum (Rest-)Urlaub bei Mitarbeiterinnen im Zusammenhang mit mehreren aufeinanderfolgenden Schwangerschaften in Verbindung mit Beschäftigungs-verboten doch öfters vor. Die Arbeitsgerichte von der ersten bis zur letzten Instanz haben hierzu eine einheitliche Rechtsaufassung und schaffen für diese Mitarbeiterinnen nun nochmal Klarheit, wie es sich mit der aufgestauten (Rest-)Urlaub am Ende der Schutzfristen tatsächlich verhält.

Da es sich vorliegend um eine Entscheidung zu den mutterschutzrechtlichen Regelungen han-delt, ist die uneingeschränkte Anwendbarkeit auch für den AVR-Bereich gegeben.


 

4. Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel für ausbildungsintegriert-dual Studierende und praxisintegriert-dual Studierende

Gerichtlich zu klären war die Frage der Vereinbarkeit einer Rückzahlungsklausel im Ausbil-dungs- und Studienvertrag mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 03.05.2023 - 7 Sa 249/22, die verwendete Rückzahlungsklausel für unwirksam erklärt. Revision wurde eingelegt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies mit Urteil vom 09.07.2024 - 9 AZR 227/23, die Revision zurück.

Der Fall

Die im vorliegenden Fall vereinbarte Rückzahlungsklausel beruht auf der Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge vom 01.01.2018 und findet sich gleichlautend bundesweit in einer Vielzahl von Ausbildungs- und Studienverträgen aller Bundesbehör-den. Im Vergleich mit der AVR-Regelung in Abschnitten F und G des Teils II der Anlage 7 (F: „Studieren in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen“, G: „Studieren in praxisintegrierten dualen Studiengängen“) ist festzustellen, dass die AVR-Regelung sehr ähnlich bis gleichlautend ist. Im Übrigen entspricht die AVR-Regelung § 18 TVSöD.

  • Eine vergleichende Gegenüberstellung der Richtlinien des Bundes und des AVR-Textes finden Sie auf Seite 6 der aktuellen Ausgabe von RECHT INFORMIERT. Das PDF können Sie auf dieser Seite herunterladen! 

Die Entscheidung

Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz ist mit der Zurückweisung der Revision rechtskräftig. Es gelten folgende Rechtsgrundsätze, die auch mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG übereinstimmen:

Zwar sind einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen.

  • Aber unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Dabei sind die rechtlich anzu-erkennenden Interessen beider Vertragspartner, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu be-rücksichtigen und zu bewerten.
  • Auf der einen Seite stehen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einer Rückzahlungsklausel. Von der Übernahme der Kosten einer Aus- oder Fortbildung versprechen sich Arbeitgeber einerseits im Anschluss an die Fortbildung vor allem von der erworbenen Qualifikation ihrer Arbeitnehmer zu profitieren und diese möglichst langfristig nutzen zu können. Dieses Interesse des Arbeitgebers besteht nicht nur bei einer Weiterbildung eines Arbeitnehmers in einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern auch bei der Ausbildung im Hinblick auf einen späteren Einsatz als qualifizierter Mitarbeiter.
  • Auf der anderen Seite stehen die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers, an keine Rückzahlung gebunden zu sein. Der Arbeitnehmer hat das Interesse, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfang zu binden, wie das im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist.
  • Eine Rückzahlungsklausel ist wirksam, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn dadurch für den Arbeitnehmer bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzen lassen. Außer-dem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen.
  • Nicht zulässig ist es, die Rückzahlungspflicht ohne Einschränkung an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.
  • Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Insgesamt muss die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein.

Die strittige Rückzahlungsklausel, über die das LAG entschied, ist deshalb unangemessen, weil die „Eigenkündigung der Studierenden“, die die Rückzahlungsverpflichtung auslöst, zu weit gefasst ist. Erfasst werden auch Eigenkündigungen der Studierenden, deren Gründe der Sphäre des Arbeitgebers entstammen, sofern diese nicht zugleich einen wichtigen Grund darstellen.
Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen.

Das LAG führt dazu aus:

„Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Aus- oder Weiterbildung investierten Betriebsausgaben aber dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig nur diejenigen des Arbeit-gebers. Damit benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen.

Die in § 9 II Buchst. b des Ausbildungs- und Studienvertrags enthaltene Rückzahlungs-klausel differenziert bei der Eigenkündigung der Studierenden nicht danach, wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist. Der Arbeitnehmer soll im Falle einer selbst ausgesprochenen Kündigung auch dann mit den Ausbildungskosten belastet werden, wenn er sich wegen eines Fehl-verhaltens des Arbeitgebers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. In solchen Fallkonstellationen ist die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Dieser kann die Rückführung der Aufwendungen durch weitere Betriebstreue nicht mehr erreichen. Eine sachliche Grundlage für seine Kostenbeteiligung, die dies als angemessenen Interessenausgleich erscheinen lässt, gibt es nicht.“

Fazit und Auswirkungen auf die AVR

Das rechtskräftige Urteil des LAG liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BAG. Die Rückzahlungspflicht darf nur durch ein Ereignis ausgelöst werden, das ausschließlich in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt. Auch die Rückzahlungsverpflichtung nach Abschnitten F und G des Teils II der Anlage 7 AVR sind zu weit gefasst. Mit der Formulierung "Eigenkündigung der Auszubildenden" werden auch Eigenkündigungen der Studieren-den erfasst, deren Gründe der Sphäre des Arbeitgebers entstammen, sofern diese nicht zugleich einen wichtigen Grund darstellen.

Eine Rückzahlungsklausel muss daher präzise abgegrenzt werden, so z.B. durch eine abschließende Aufzählung von Fällen, die alle eindeutig allein der Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Nur diese würden dann die Rückzahlung der Fort- und Ausbildungskosten auslösen.

Bei der streitgegenständlichen Klausel ist das gerade nicht der Fall. Aufgrund der fast gleichen Formulierung in Abschnitt F und Abschnitt G der Anlage 7 AVR ist das auch auf die Rückzahlungsklausel für ausbildungsintegrierte und praxisintegrierte dual Studierende zu übertragen.

 

RECHT INFORMIERT 2024/05

Überstundenzuschläge bei Teilzeit -- Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis -- Urlaubsanspruch und Mutterschutz -- Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln 
PDF | 313.31 KB | 13. Dez., 2024


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